Seismizität in Deutschland
Seismizität beschreibt ganz allgemein die Erdbebentätigkeit in einer Region innerhalb einer bestimmten Zeit.
Als natürliche Seismizität bezeichnet man dabei die Erdbebentätigkeit, die geologisch verursacht wird. Ursache dieser natürlichen Erdbeben ist die sich an Plattengrenzen und Störungen aufbauende Spannung. Diese ist Resultat der Bewegung der Platten gegeneinander (Plattentektonik). Wird die aufgebaute Spannung plötzlich freigesetzt, bricht das Gestein. Die hierdurch ausgelösten Bewegungen werden als Erdbeben registriert
Die weltweite Verteilung der Erdbeben spiegelt die Plattengrenzen deutlich wieder.
Die Haupterdbebengebiete in Deutschland sind der Rheingraben, die Niederrheinische Bucht, die Schwäbische Alb, das Alpengebiet, die Bodenseeregion und das Vogtland. Die Erdbebentätigkeit in Deutschland lässt sich als gering bis moderat einstufen. Die stärksten Erdbeben der letzten 40 Jahre ereigneten sich am 3. September 1978 auf der Schwäbischen Alb und am 13. April 1992 im Grenzgebiet zwischen den Niederlanden und Deutschland nahe der Stadt Roermond. Beide Erdbeben besaßen Magnituden knapp unter 6, in beiden Fällen kam es zu Verletzten und Sachschäden. Durchschnittlich treten in Deutschland und angrenzenden Gebieten 2 bis 3 Erdbeben mit Magnitude größer als 4 und 30 Beben mit Magnitude größer als 3 pro Jahr auf. Informationen zu den in der BGR geführten Erdbebenkatalogen für Deutschland sind hier zu finden.
Als induzierte Seismizität bezeichnet man Erdbebentätigkeit, welche durch menschlichen Eingriff in den Untergrund verursacht wird (Gupta & Chadha, 1995; McGarr et al., 2002). Solche Eingriffe sind beispielsweise das Einbringen von Fluiden in den Untergrund, untertägiger Bergbau oder der Aufbau extremer Auflasten (z.B. bei Staudämmen). Man unterscheidet zwischen direkt induzierten Erdbeben (z.B. durch Hohlraumbildung im Bergbau oder unter hohem Druck eingepresste Fluide, um z.B. notwendige Fluid-Wegsamkeiten innerhalb geothermischer Reservoire zu schaffen) und ausgelösten Erdbeben an tektonisch vorgespannten Verwerfungen (s.u.). Eine durch Änderung des Fluidhaushaltes im Gebirge verursachte Erdbebenaktivität ist von mehreren geothermischen Standorten bekannt (Majer et al., 2007), jedoch ist die Stärke der Erdbeben, vor allem im Vergleich mit natürlichen Ereignissen, relativ gering. Die gemessene Lokalmagnitude (ML) bleibt meist unter 3. Die von der Bevölkerung verspürte Intensität (I) ist stark standort- bzw. untergrundabhängig; meist bleibt die Intensität unter der Stufe V (Grünthal, 1998), d.h. Schäden treten selten auf.
Physikalisch können direkt induzierte und ausgelöste (getriggerte) Seismizität im Umfeld geothermischer Anlagen folgendermaßen unterschieden werden:
a) Direkt induzierte Ereignisse entstehen im Allgemeinen beim Aufbrechen des Gebirges durch hohe Wasserdrücke zur Stimulation, d.h. Rissbildung, um Wegsamkeiten für Fluide zu schaffen (Baisch & Harjes, 2003; Charléty et al., 2007).
Hierfür werden Teilbereiche eines Bohrlochs verschlossen, worin dann ein hoher Druck erzeugt wird, der die minimale Hauptspannung sigmah des Gebirges überschreitet. Meist kann sich dann ein Bruch senkrecht zu dieser Richtung ausbreiten. Direkt induzierte Erdbeben und ihre Stärke korrelieren stark mit der Amplitude des eingebrachten Drucks und ihr zeitliches Auftreten ist ebenfalls eng mit dem Einpress-Zeitraum verbunden, wobei nach Beendigung des Einpressens noch Ereignisse auftreten, welche dann aber auch ausgelöst (getriggert) sein können.
b) Ausgelöste (getriggerte) Erdbeben benötigen eine tektonisch vorgespannte Verwerfung (Simpson, 1986). An dieser wirken Scherkräfte, wobei die auf der Verwerfung senkrecht stehende Normalspannung einer Scherbewegung entgegensteht – diese presst sozusagen die Verwerfung zusammen. Durch Fluide ergibt sich wegen des Porendrucks eine Reduzierung der Normalspannung, d.h. eine kleinere effektive Spannung wird wirksam, und somit eine Verringerung des Zusammenpressens der Verwerfungsflächen. Dadurch kann die vorgespannte Fläche mit einer geringeren Scherspannung bewegt werden als ohne das Vorhandensein von Fluiden (McGarr et al., 2002; Shapiro et al., 2005). Die Stärke der ausgelösten Erdbeben hängt von der tektonischen Spannung, den Größen der existierenden Verwerfungsflächen und den Parametern des Pumpbetriebs (Fluiddruck und -menge) ab.
Die seismische Überwachung (Monitoring) der Reservoire und die Auswertung der im Umfeld des Standorts registrierten Seismizität hat wesentlich zum heutigen Verständnis der Interaktion zwischen eingepresstem Fluid und dem umgebenden Gestein beigetragen. Hierdurch konnte der Kenntnisstand hinsichtlich der Auslösemechanismen fluidinduzierter Erdbeben erweitert werden. Des Weiteren können die aufgezeichneten seismischen Ereignisse für eine Charakterisierung des Reservoirs herangezogen werden (Warpinski et al., 1998, 2001). Dabei ermöglicht die präzise Lokalisierung eine detaillierte Abbildung der aktivierten Bruchsysteme (Rowe et al., 2002). Die Analyse der zeitlich-räumlichen Entwicklung der Seismizität erlaubt die Abschätzung von hydraulischen Kenngrößen wie die Permeabilität des stimulierten Reservoirs (Shapiro et al., 2002, Dinske et al., 2010).
Referenzen
Baisch, S & Vörös, R., 2009. AP 3000 Report Induced Seismicity, SERIANEX. Link
Bolt, B. A., 1995. Erdbeben - Schlüssel zur Geodynamik. Spektrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg, Berlin, Oxford
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Warpinsksi, N. R., Wolhart, S. L. & Wright, C., 2001. Analysis and prediction of microseismicity induced by hydraulic fracturing. Paper SPE 71649.
Die in der BGR aufgezeichneten seismischen Daten sind hier verfügbar.
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Dr. Ulrich Wegler