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TZ Vietnam: Bewertung nutzbarer Grundwasser-Ressourcen in der Provinz Nam Dinh, Red River Delta

Beitrag zum Projekt:

Hintergrund:
Bedingt durch das subtropische Klima in der Ebene des Roten Flusses, verfügt die Nam Dinh Provinz grundsätzlich über ergiebige Wasserressourcen. Allerdings üben die ökonomische und soziale Entwicklung in Verbindung mit dem hohen Bevölkerungswachstum der letzten Jahrzehnte einen stark zunehmenden Druck auf die verfügbaren Ressourcen aus.

Oberflächenwasser als die traditionelle Quelle für Trink- und Brauchwasser dient noch heute maßgeblich zur Wasserversorgung der nördlichen und östlichen Gebiete Nam Dinh´s. Im Süden und Westen dagegen werden zunehmend tiefere Grundwasservorkommen sowohl für private Haushalte als auch wirtschaftliche Nutzung erschlossen. Insgesamt wird Grundwasser eine zunehmende Rolle bei der Wasserversorgung Nam Dinh´s einnehmen, da Oberflächengewässer direkt durch Klimawandel und ungeklärte Schmutzwässer und Abwässer beeinträchtigt sind. Daher ist ein nachhaltiges Management der Grundwassernutzung grundlegend für Gesundheit, Entwicklung und Umwelt in Nam Dinh. Vor diesem Hintergrund untersucht das IGPVN-Vorhaben ("Improvement of Groundwater Protection, Vietnam") den aktuellen Status der nutzbaren Grundwasservorkommen in der Nam Dinh Provinz.

Abb. 2: Handlungsfelder des IGPVN-ProjektsAbb. 2: Handlungsfelder des IGPVN-Projekts Quelle: BGR

Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) berät die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vietnamesische Behörden auf nationaler und auf Provinzebene im Rahmen der Grundwassererkundung und –überwachung. Die Arbeitsfelder umfassen Datenerhebung und –verarbeitung, Datenauswertung und Szenarienanalyse bis hin zu Handlungsempfehlungen zum Grundwassermanagement und -schutz (Abbildung 2). Das IGPVN-Projekt entwickelt Strategien zur Bewältigung der Folgen von steigender und unkontrollierter Grundwasserförderung.

In der Nam Dinh-Provinz als ein Arbeitsgebiet des Vorhabens werden sinkende Grundwasserspiegel sowie Grundwasserversalzung beobachtet. Die geowissenschaftlichen Arbeiten und Ergebnisse sind nachstehend  zusammengefasst.

Physischer Rahmen:
Die Nam Dinh Provinz liegt im äußersten Süden der Ebene des Roten Flusses am Südchinesischen Meer. Die lokale geologische Struktur (Abbildung 3, Abbildung 6) wird von einer komplexen Sequenz von alluvialen und marinen Lockersedimenten mit wechselnder Durchlässigkeit dominiert. In den alluvialen Sedimenten der pleistozänen Ha Noi Formation (qp1) sind ergiebige Grundwasserleiter ausgebildet, die in den letzten Jahrzenten zunehmend ausgebeutet werden. Oberflächennahe, jüngere Grundwasserleiter sind wegen ihrer hohen Versalzung und niedrigen Ergiebigkeit von geringerer Bedeutung. Weitere ergiebige Grundwasserleiter sind in den liegenden neogenen Sedimenten und in benachbarten Triassischen Kalk- und Sandsteinen dokumentiert. Seit den 1990er Jahren überschreitet die Grundwasserentnahme die Neubildung. Die Folge sind sinkende Druckspiegel um bis zu 0,7 m/Jahr und eine zunehmende Grundwasserversalzung.

Grundwassererkundung:
Ein Grundwasser-Monitoring Netzwerk mit insgesamt 23 Messstellen wurde in den Gesteinsformationen des Holozäns, Pleistozäns, Neogen und der Trias installiert. Dort wird seit 2010 kontinuierlich die Grundwasserquantität und -qualität beobachtet. Die Anwendung quantitativer hydrogeologische Methoden, ergänzt durch lokale Archiv-Daten, hat die Datengrundlage für die Entwicklung eines konzeptuellen hydrogeologischen Modells geschaffen.

Eine Auswahl der wichtigsten Methoden:

  • Stündliche Messungen von Grundwasserdruckspiegel, Temperatur, spez. elektrischer Leitfähigkeit und Luftdruck mit absoluten Drucksensoren.
  • Vergleichende Anwendung von hydraulischen Methoden und Korngrößenanalysen zur Bestimmung der hydraulischen Leitfähigkeit.
  • Zeitreihenanalyse von barometrischen und tidalen Effekten in Grundwasserdruckspiegel-Schwankungen gespannter Grundwasserleiter mittels einfacher analytischer Modelle zur Bestimmung von Speichereigenschaften.
  • Hydrochemische und Isotopen-Studien zur Untersuchung von Genese, Neubildung und Alter der Porenwässer in den untersuchten Grundwasserleitern.
  • Die Erstellung vertikaler Salinitätsprofile, basierend auf geophysikalischen Bohrlochmessungen (Abbildung 4), hydrochemischer Untersuchungen und analytischer Diffusions-Modellierung.
  • 3D-Modellierung der hydrogeologischen Struktur (Abbildung 5) und numerische hydrogeologische Modellierung (MODFLOW) zur Bestimmung der Wasserbilanz und Analyse verschiedener Entnahme-Szenarios.
  • Datenerhebung zur Wassernutzung und Grundwasserentnahme basierend auf repräsentativen Befragungen privater Haushalte.

Darüber hinaus werden die eingesetzten Feldmethoden und die Datenauswertung im Rahmen von praktischer Ausbildung sowie Seminaren an geotechnische Mitarbeiter der Partnerorganisationen vermittelt.

Abb. 5: Bohrinformationen (a) und Netzwerk geologischer Schnitte (b) in einer 3D-DarstellungAbb. 5: Bohrinformationen (a) und Netzwerk geologischer Schnitte (b) Quelle: BGR

Schlussfolgerungen und Grundwasser-Ressourcen Bewertung:
Die dreidimensionale Betrachtung der geologischen Struktur Nam Dinh´s zeigt die Bedeutung eines proterozoischen Horsts (siehe WAGNER, F.; LINDENMAIER et al.) im Nordwesten als hydraulische Barriere zwischen den triassischen Grundwasserleitern in der westlichen Nachbarprovinz Ninh Binh und der östlichen Ebene des Roten Flusses. Südlich dieser Barriere erhalten die Grundwasserleiter in pleistozänen und neogenen Lockersedimenten einen signifikanten Zufluss aus den triassischen Formationen im Westen und Nordwesten von Nam Dinh. Darüber hinaus deuten hydrochemische Daten und stabile Isotope auf einen möglichen Zufluss von wasserführenden Verwerfungszonen im kristallinen Basement hin. Durch diesen über zehn tausende Jahre andauernden Zufluss konnte sich eine "Süßwasser-Zunge" mit Trinkwasserqualität in pleistozänen und neogenen Formationen ausbilden
(Abbildung 6).

Die feinkörnigen Sedimente der hangenden holozänen Formationen wurden überwiegend in einem marinen Milieu abgelagert. Deren saline Porenwässer sind eine potentielle Quelle für die Versalzung tieferer Grundwasserleiter. Analytische Diffusionsmodellierung über einen Zeitraum von 3000 Jahren belegt, dass saline holozäne Porenwässer als Hauptquelle und vertikale Diffusion als Transportprozess ausreichen, um die erhöhte Salinität in brackischen pleistozänen und nogenen Porenwässern im Osten der Nam Dinh Provinz zu erklären. Die niedrig salinen Porenwässer im Westen und Südwesten dagegen existieren nur durch den ständigen Zufluss aus angrenzenden triassischen Grundwasserleitern.

Abb. 7: Karte von Arsengehalten im Grundwasser und ein einfacher SandfilterAbb. 7: Karte von Arsengehalten im Grundwasser und ein einfacher Sandfilter Quelle: BGR

Entsprechend dominieren saline Porenwässer marinen Ursprungs im Südosten, Osten und Nordosten der Nam Dinh Provinz die Grundwasserbeschaffenheit in tiefen Grundwasserleitern. Darüber hinaus stellt das vorherrschende reduzierende Milieu den Rahmen für eine beschleunigte Mobilisierung von redox-sensitiven und potentiell toxischen Substanzen, wie etwa Arsen, Ammonium, Eisen und Mangan (Abbildung 7). Daher sind ergiebige pleistozäne und neogene Grundwasserleiter in weiten Teilen im Norden, Osten und Südosten Nam Dinhs ohne entsprechende Aufbereitungsmethoden nicht für die Trinkwasserversorgung geeignet. Besondere Beobachtung dieser redox-sensitiven Substanzen ist im Übergangsbereich von niedriger zu brackischer Salinität (1 g/L bis 3 g/L) geboten, da dort die Grundwassernutzung mangels Alternativen verbreitet ist.

Die zunehmende Nutzung des pleistozänen Aquifers im zentralen und südlichen Nam Dinh überschreitet nachweislich mindestens seit 1994 die vertikale Neubildung und seitliche Zuflüsse, mit entsprechenden Folgen für das natürliche geohydraulische System. So hat sich ein regionaler Absenktrichter sowohl im pleistozänen als auch im tieferen neogenen Grundwasserleiter ausgebildet. In diesem Gebiet hat sich die natürliche küstenwärts gerichtete Grundwasserströmung in Richtung des Zentrums des Absenktrichters neu ausgerichtet, mit einer horizontalen Filtergeschwindigkeit bis 0,7 m/Jahr (bis 0,2 m/Jahr im Neogen). Dies impliziert eine horizontale Migration von brackischem und salinem Grundwasser aus der Flussebene und ablandigen Gebieten im Osten und Süden in Richtung der Süßwasserzunge.

Das Fehlen von aktuellen und verlässlichen Entnahmedaten ist ein grundsätzliches Problem bei der Ermittlung der Wasserbilanz des pleistozänen Aquifers und seiner Erneuerung. Der vertikaler Zufluss durch hangende geringleitende Formationen ist als gering, aber dennoch relevant einzustufen. Dagegen herrscht eine sehr gute hydraulische Anbindung zum liegenden Neogen. Isotopen-Untersuchungen deuten auf vertikale Sickerraten von nur 4 bis 15 mm/a. Karbon-14-Grundwasserdatierungen ergeben Grundwasseralter bis maximal 12.000 Jahre im Pleistozän im Zentrum des Absenkungstrichters (Abbildung 6). Dies bestätigt die relativ geringe vertikale Neubildung im pleistozänen und neogenen Grundwasserleiter.

Abb 8: Kollegen der Partnerbehörde bei der Entnahme von GrundwasserprobenAbb. 8: Kollegen der Partnerbehörde bei der Entnahme von Grundwasserproben Quelle: BGR

Ergebnisse der numerischen Modellierung (siehe LINDENMAIER, F. et al.) bestätigen, dass die Übernutzung der Grundwasserressourcen im Modellgebiet nicht reversibel ist, solange der Bedarf an Trink- und Brauchwasser die potentielle Grundwassererneuerung bei weitem übersteigt. Bei einem ersten Modell-Szenario steht ein Süßwasserzufluss von 8.000 m³/Tag in starkem Gegensatz zu einer Entnahme von über 60.000 m³/Tag. Unter diesen Umständen ist nachhaltiges Grundwassermanagement kaum möglich und es ist eine grundsätzliche Änderung der Wasserentnahmestrategie nötig. Die aktuell übliche Entnahmepraxis wird die Grundwasserabsenkung und -versalzung von den östlichen und südlichen Modellgrenzen weiter beschleunigen. Das entwickelte numerische Modell wird im Rahmen des IGPVN-Vorhabens kontinuierlich auf neue Erkenntnisse und Daten angepasst und aktualisiert.

Basierend auf den genannten Ergebnissen formuliert das IGPVN-Vorhaben Handlungsempfehlungen für das Wassermanagement, mit dem Ziel politische Entscheidungsträger in deren Kommunikation und Implementierung auf nationaler und provinzieller Ebene zu beraten. Dabei stellt die verbesserte Kontrolle der zahlreichen unregistrierten Förderbrunnen privater und kommerzieller Nutzer eine der grundlegenden Herausforderungen dar.

Weiterführende Links:

Projektmaterialien:

Literatur:


Kontakt 1:

    
Dr. Georg Houben
Tel.: +49-(0)511-643-2373

Kontakt 2:

    
Dr. Frank Wagner
Tel.: +49-(0)511-643-2376

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