BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Navigation ▼

Das Mithören bei Triebwerkstests der europäischen Trägerrakete ARIANE-5

Land / Region: Deutschland

Projektanfang: 01.11.2011

Projektende: 30.09.2012

Projektstand: 30.09.2012

Einleitung

Um die Ausbreitung von Infraschall bis in lokale und regionale Distanzen und insbesondere innerhalb der sogenannten Schattenzone oder Zone des Schweigens (zone of silence) zu untersuchen und besser zu verstehen, sind genau bekannte Quellen (ground-truth sources) von besonderem Interesse. Damit lassen sich die beobachteten Signale direkt aus dem Zustand der Atmosphäre zwischen Quelle und Empfänger ableiten, da der Quellterm bekannt ist. Die Existenz einer solchen Quelle wurde nach dem Aufbau der IMS-Infraschallstation IS26 in Süddeutschland bekannt, und zwar mit einem Prüfstand des deutschen Zentrums for Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen in der Nähe von Heilbronn. Dort werden seit den 1990er Jahren Entwicklungs- und Akzeptanzversuche mit dem Haupttriebwerk der europäischen Trägerrakete ARIANE-5 durchgeführt. Infraschallsignale von diesen Triebwerkstests konnten daher an IS26 registriert werden, und dies vor allem in den Winterhalbjahren aufgrund der durch stratosphärische Winde begünstigten Ausbreitungsbedingungen in Richtung Südosten.

Messkampagne mit mobilen Infraschallmessstationen

In den Jahren zwischen 2000 und 2004 waren die meisten der bei der DLR im Winterhalbjahr durchgeführten Triebswerktests der ARIANE-5 in einer Entfernung von gut 300 km an IS26 im Bayerischen Wald aufgezeichnet worden. Daher sollten für eine vom November 2011 bis zum Frühjahr 2012 vorgesehene Versuchskampagne der DLR mit insgesamt neun Triebwerkstests mobile Infraschallstationen entlang eines Profils zwischen dem DLR-Standort bei Heilbronn und dem IS26-Standort aufgestellt werden, um die Ausbreitung von Infraschall umfassend studieren zu können. Ein gutes Verständnis für die Infraschallausbreitung in Entfernungen von wenigen Hunderten von Kilometern ist eine wichtige Expertise bei der Überwachung der Kernwaffenteststopps, weil die dort zu erwartenden Signale vermutlich von sehr schwachen Quellen herrühren, die nicht in großen Entfernungen beobachtbar sein sollten. Da die bisher verfügbaren atmosphärischen Modelle relativ grobmaschig sind, ist ein Verständnis besonders der Grenzen der Modellierung in relativ geringen Entfernungen wichtig.

Registrierprofil zu den Triebswerksversuchen in Lampoldshausen (bei Heilbronn)Registrierprofil zu den Triebswerksversuchen in Lampoldshausen (bei Heilbronn) mit mobilen Infraschallmesstationen und der IMS-Infraschallstation IS26 im Bayrischen Wald in Richtung Südsüdosten in Entfernungen von 20 km bis maximal 320 km. Außerdem eingezeichnet ist die Lage einer Quelle in Luxemburg sowie einige größere Städte (F-Frankfurt, M-München, N-Nürnberg, R-Regensburg, S-Stuttgart, HN-Heilbronn, PA-Passau) Quelle: BGR

Infraschallbeobachtungen an der IMS-Station IS26

Infraschallsignale wurden an der IMS-Station IS26 von allen neun Tests registriert, wobei durch die Ergebnisse einer Frequenz-Wellenzahl (FK)-Analyse und durch die bekannte Dauer des Quellsignals überprüft werden konnte, daß die Beobachtungen auch wirklich vom jeweiligen Triebwerkstest herrührten. Die beobachteten Schallsignale aus der bekannten Ankunftsrichtung von ca. 280º gegen Nord erreichen die Station im Bayrischen Wald nach ca. 16-17 Minuten Laufzeit.

Infraschallsignale, gemessen an den 8 Elementen von IS26, von einem Triebwerkstest am 18. November 2011 um 15: 50UTInfraschallsignale, gemessen an den 8 Elementen von IS26, von einem Triebwerkstest am 18. November 2011 um 15: 50UT und einer Dauer von 600 s (10 min). Die ersten Signale treffen um 16:06UT an IS26 ein. Die dargestellte FK-Analyse weist eine Ankunftsrichtung (Azimuth) von 282º aus Quelle: BGR

Infraschallregistrierungen an den mobilen Infraschallstationen

Bei den Triebwerkstests zwischen Dezember 2011 und Februar 2012 wurden mit den verfügbaren 6 Mobilstationen gleichabständig zwischen 20 und 120 km Infraschallmessungen durchgeführt. Für einige der Triebwerkstest konnte an den Mobilstationen zwischen 20 und 40 km, die sowohl mit Seismometern als auch Mikrobarometern ausgerüstet waren, seismisch-akustische Signale gefunden werden. Stationen über 40 km zeigten keine Signale, außer in der Entfernung bei 120 km. Bei den folgenden Triebwerkstests wurden die mobilen Infraschallstationen im Entfernungsbereich zwischen 120 und 240 km eingesetzt, mit Stationsabständen von 20 km zwischen 120 und 180 km und 30 km bis 240 km. In diesem größeren Entfernungsbereich beobachteten wir meistens Infraschallsignale, wenn auch oft nur mit relativ geringer Signalstärke.

Seismische (untere drei Spuren) und akustische Aufzeichnungen (obere Spuren) des Triebwerkstests vom 16. Februar 2012 um 13:28UTSeismische (untere drei Spuren) und akustische Aufzeichnungen (obere Spuren) des Triebwerkstests vom 16. Februar 2012 um 13:28UT. Die seismischen Aufzeichnungen wurden direkt am Prüfstand gemacht, während die akustischen Aufzeichnungen zwischen 20 und 120km erfolgten. Nur die Mobilstationen in 20km und 120 km zeichneten ein Signal auf, wobei ersteres sehr schwach war. Alle erkennbaren Signale entsprechen der bekannten Quelldauer von 600 s Quelle: BGR

Beobachtung eines Infraschallsignals von einer Quelle in Richtung Luxemburg

Am 16. Februar 2012 wurden akustische Signale entlang unseres Meßprofils und an der IMS Station IS26 aufgezeichnet. Zunächst war vermutet worden, daß sie von einem Explosionsunglück in Luxemburg stammten, als eine mit Flüssiggas beheizte Geflügelstallung zerstört wurde. Spätere Berichte sprachen von einem Überschallflug, dessen Überschallknall deutlich von der Bevölkerung in der westlichen Eifel nahe Bitburg wahrgenommen wurde. Anhand von Modellrechnungen und den damit ausgeführten Ausbreitungssimulationen konnte festgestellt werden, daß als Quelle des Infraschallsignals das Explosionsunglück in Luxemburg sehr wahrscheinlich ausgeschlossen werden kann und die Signale daher vom Überschallflugzeug herrühren müssen.

Unbekanntes Infraschallsignal am 16. Februar 2012 kurz nach Mittag Lokalzeit (bzw. 11:15UT) aufgezeichnet entlang des Infraschallmeßprofils und an der IMS Station IS26Unbekanntes Infraschallsignal am 16. Februar 2012 kurz nach Mittag Lokalzeit (bzw. 11:15UT) aufgezeichnet entlang des Infraschallmeßprofils und an der IMS Station IS26. Die dargestellten Signalspuren sind nach der Entfernung von einer Quelle in Luxemburg sortiert. Die obersten Spuren stammen von IS26 - daher treffen die Signale nahezu gleichzeitig ein Quelle: BGR

Zusammenfassung

Von November 2011 bis Mai 2012 führte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) insgesamt neun Versuche mit dem Haupttriebwerks der ARIANE-5 durch. Auf einem Meßprofil zwischen dem DLR-Standort und der IMS-Stationen IS26 in 320 km Entfernung wurden sechs mobile Infraschallmeßstationen eingesetzt, die auch die sogenannte Schattenzone oder “zone of silence“ umfaßte. Diese Zone wurde für Entfernungen zwischen 40 und 120 km tatsächlich festgestellt. Das Maß der beobachteten Schallsignale ist relativ variabel und spiegelt die signifikante Variabilität der Atmosphäre in Raum und Zeit, hier Winter/Frühling 2011/2012, wider. Die auffälligste Beobachtung in diesem Zeitraum war ein schwaches Infraschallsignal an IS26 für den letzten Test im Mai 2012. Dieses Signal widersprach jeglicher Erwartung aus den Erfahrungen früherer Jahre, weil vorher nie ein Signal von Triebwerkstests identifiziert werden konnte, die nach April und vor Oktober eines Jahres durchgeführt wurden.

Überblick über Zeitpunkt und Dauer der neun Triebwerkstests sowie des Überschallflugs nahe Bitburg (BIT) und des Explosionsereignisses in Luxemburg (LUX)Überblick über Zeitpunkt und Dauer der neun Triebwerkstests sowie des Überschallflugs nahe Bitburg (BIT) und des Explosionsereignisses in Luxemburg (LUX). In grüner und roter Farbe sind die Entfernungen zu der jeweilig aktuellen Konstellation von Feldmess- und Permanentstationen angegeben, wobei die Stationen in Grün das Ereignis detektieren konnten, diejenigen in Rot nicht Quelle: BGR

Literatur:

Koch, K (2010). Analysis of signals from an unique ground-truth infrasound source observed at IMS station IS26 in Southern Germany, Pure Appl. Geophys., 167, 401-412, http://dx.doi.org/10.1007/s00024-009-0031-2

Koch, K. (2012). Regional infrasound observations from recent rocket engine tests in Southern Germany, 2012 Monitoring Research Review: Ground-Based Nuclear Explosion Monitoring Technologies, 2012, pp. 710-720.

Pilger, C., F. Streicher, L. Ceranna & K. Koch (2013). Application of propagation modeling to verify and discriminate Ground-Truth infrasound signals at regional distances, InfraMatics, 2, 39-55, http://dx.doi.org/10.4236/inframatics.2013.24004

Kontakt:

    
Dr. Karl Koch
Tel.: +49 (0)511-643-3296

Diese Seite:

Hinweis zum Einsatz von Cookies

Mit dem Klick auf "Erlauben" erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihren Aufenthalt auf der Seite anonymisiert aufzeichnen. Die Auswertungen enthalten keine personenbezogenen Daten und werden ausschließlich zur Analyse, Pflege und Verbesserung unseres Internetauftritts eingesetzt. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK

Zum Anfang der Seite ▲